Samstag, 27. Februar 2016

Californium

Frankreich liebt Philip K. Dick. In Frankreich sind etwa doppelt so viele Ausgaben von Dick erschienen wie in Deutschland, mehr sind nur in Italien erschienen – und natürlich den USA. Die erste Übersetzung eines Romans von Dick erschien jedoch 1958 in Deutschland, Frankreich folgte erst 1959. Bekannt ist auch Dicks Auftritt in Metz, den man sich teilweise bei YouTube ansehen kann, sein einziger Besuch in Europa. Auf jeden Fall kann es nicht wundern, wenn sich im März der deutsch-(aber mehr) französische Fernsehsender arte Dick in einem bimedialen Projekt annimmt.
Der Arbeitsplatz von Elving Green, dem Protagonisten von Californium. Hier beginnt das Spiel...

Samstag, 20. Februar 2016

Огонек № 16, 1958

Ein Sammler ist eben auch ein Jäger. Es macht mehr Spass, wenn das Ziel der Jagd schwer zu erlegen bzw. zu finden ist, als es im Shop seinem Warenkorb hinzuzufügen.
Eine etwas längere Jagd ist dieser Tage zu Ende gegangen, die in der Adventszeit des vorigen Jahres begann. Auf der Suche nach einem Thema für einen weihnachtlichen Blogeintrag bin ich auf die Kurzgeschichte Foster, You're Dead von Philip K. Dick gestossen, zu Deutsch Der Bunker, später auch übersetzt als Foster, du bist tot.
Die Ausgabe von Ogonek mit Dicks "Foster, You're Dead"
Огонек № 16, 1958 enthält die erste russische Übersetzung von Philip K. Dicks
Kurzgeschichte Foster, You're Dead, auf Deutsch Der Bunker

Samstag, 13. Februar 2016

Spiegel, Spiegel in der Hand

Die Amazon-Serie The Man in the High Castle hat auch in Deutschland das Interesse für den amerikanischen Schriftsteller Philip K. Dick wieder geweckt – ein bisschen immerhin. Der Spiegel bringt in Ausgabe 51 des vorigen Jahres (2015) bereits eine Kritik der Serie.  Jetzt führt Frank Thadeus ein Interview mit Tessa Dick, seiner fünften Ehefrau, das man in der Ausgabe 4/2016 auf Seite 108–110 nachlesen kann; online gibt's immerhin eine Vorschau.
Ein Interview mit Tessa Dicks, der fünften Ehefrau von Philip K. Dick
Spiegel 4/2016 mit einem Interview mit Tessa Dick, der fünften Ehefrau von Philip K. Dick
Es gibt nichts von und nur wenig über Tessa Dick auf Deutsch, daher ist dieses Interview so spannend. Spannend ist auch, dass Tessa Busby Dick, Busby ist ihr Mädchenname, tatsächlich über ihren Sohn Christopher und den Philip K. Dick Trust spricht. Befriedigen kann das Interview in dieser Beziehung kaum, passt es doch wenig zu Tessa Dicks Äusserungen in einem ihrer Blogs und auf Facebook, in denen sie glaubhaft ihre argen finanziellen Probleme schildert. Oder sollte der Trust wirklich ein paar so falsche Entscheidungen getroffen haben, dass die drei Kinder „nicht reichgeworden sind“ und Tessa Dick daher nur recht ungenügend unterstützen können? Über die Klage gegen Google, die wohl zu den falschen Entscheidungen zählt, kann man auch im Spiegel online nachlesen. Mehrfach verklagt wurden auch die Produzenten des Films Der Plan, die Rechte des Trusts nicht bezahlen wollten, die der Trust nie hatte.
Das Interview ist bei der Schilderung der Beziehung zwischen Tessa Dick und dem Trust weniger verständlich, wenn man aber Tessa Dicks Klagen gegen den Trust und das vom Trust veranlasste Verschwinden eines von Tessa Dicks Bücher noch dazunimmt, entdeckt man zumindest komplizierte Familien-Verhältnisse. Aber sicher ist ein Interview in einem grossen deutschen Nachrichtenmagazin nicht der richtige Ort, seine Familienverhältnisse zu ordnen …
Tessas Äusserungen zu Philip K. Dicks Werk, Beziehungen, (nicht vorhandenem) Drogenkonsum, Scheidung und Frauen können den Kenner seiner Vita nicht überraschen. Eine kleine Sensation versteckt sich aber doch noch im Artikel: Beinahe beiläufig wird ein Anruf von John Lennon in den Siebzigerjahren erwähnt, in dem er Dick mitteilt, dass der Beatles-Song Paperback Writer sich auf ihn bezieht. Das klingt absurd, selbst wenn man in Betracht zieht, dass Dick ja ein paperback writer war und sich selbst oft so bezeichnete, da seine Bücher fast (zunächst) ausschliesslich als Paperbacks erschienen – und der angesehene Philip K. Dick Award wird aus diesem Grund ja auch an einen Titel verliehen, der in Erstausgabe als Paperback erschienen ist. Die Verbindung von Dick zu John Lennon geht aber wohl über Paul Williams und Timothy Leary. Es gibt verschiedene Berichte über Telefonate von Dick mit John Lennon, auch während des berühmten bed-ins in Amsterdam im März 1969:
[Dick] [r]eceives phone call from Timothy Leary who is attending John Lennon and Yoko Ono’s "bed-in" in a Montreal hotel. Leary puts Lennon and Ono on the phone; they discuss their admiration for his novel The Three Stigmata of Palmer Eldritch and their desire to adapt it to film.
Spiegel 22/2005 mit einem
Artikel über Philip K. Dick
Das steht so in Jonathan Lethems Chronology des Jahres 1969, die man im Anhang der drei schönen The Library of America Bände findet, z. B. auf Seite 809 der Four Novels of the 1960s. Aber Philip K. Dick ist ein unzuverlässiger Berichterstatter und auch das Timing scheint falsch: Als Paperback Writer 1966 entsteht, kannte Paul Williams weder Dick noch Lennon persönlich – und diese sich daher wohl auch nicht. Und ob Dicks Ruf als ausgewiesener paperback writer schon bis zu den Beatles durchgedrungen war, erscheint doch fraglich. Und schliesslich gibt es auch Aussagen von Lennon und McCartney selbst zu diesem Lied, die Dick nicht erwähnen. Nun ja. Passen tut die im Text geschilderte prekäre finanzielle Lage mehr als gut auf Dick im Jahr 1966. Eine Beatles CD kommt aber auf jeden Fall nicht in meine Sammlung.
Bereits 2005 gab es im Spiegel in der Nummer 22 einen Artikel, von Christoph Dallach, über Dick: Paranoia-Typen von nebenan. Auf dem Titelbild war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der ein halbes Jahr später von Angela Merkel abgelöst wurde. Der Artikel finden sich online bei Spiegel. Das Exemplar in meiner Sammlung ist leider nicht so schön. Exemplare werden noch regelmässig zu angemessenen Preisen auf einer populären Versteigerungsplattform angeboten – selbst mehr als zehn Jahre alte Magazine sind also noch problemlos zu beschaffen.
Ein kurzes Interview von 2008 findet sich (auf Englisch) bei der französchen Webseite Dickien.
In einem älteren Blogeintrag habe ich bereits über Tessa Dick und auch Dicks dritte Ehefrau, Anne R. Dick, geschrieben; darauf sei hier noch mal verwiesen.

Samstag, 6. Februar 2016

尤比克

尤比克, im englischen Original und auf Deutsch Ubik und die
Kurzgeschichtensammlung 少数派报告, The Minority Report
Eigentlich sollte der Fokus des Jahres ja einigen dunklen Ecken der deutschen Sammlung und ggf. noch englischen Ausgaben von ausgewählten Verlagen gelten, aber hin- und wieder muss ein bisschen Spass eben sein. Und Spass macht es mir eben Ausgaben zu ergattern, die ein bisschen schwerer zu finden sind, denn auch das gibt es noch zu Zeiten der Internets. Vor allem, wenn man finanziell im Rahmen bleiben will. Und was könnte schwerer zu finden sein als  eine chinesische Ausgabe eines Buchs von Philip K. Dick? Da gibt es sicher einige Ausgaben, aber in diesem Fall war es eben (nur) eine chinesische Ausgabe und auch die war schwer genug zu finden, auch wenn der letztliche Fundort gar nicht so ungewöhnlich war: Amazon; allerdings Amazon.cn. Dort gelten die bei uns einheimischen Benutzer, die auch für .com und .co.uk gültig sind, übrigens nicht.
Es gibt einige Ausgaben von Dick in Hochchinesisch, die früheste ist wohl 殺手的一日, im Original Do Androids Dream of Electric Sheep? von 1981, sie ist also (kurz) vor dem Film Blade Runner erschienen. Erschienen ist dieses erste Buch (wohl) in Taiwan und die verwendete Schriftsprache ist die traditionelle Form der Langzeichen. In der Volksrepublik China werden die vereinfachten Kurzzeichen verwendet und dort erschien ein erstes Werk von Dick erst 1999, die Anthologie --记忆公司, "Memory Corporation"; offenbar geht es um Mr. Quail. Es folgen (Stand 2022) über 50 Romane und Anthologien. In Taiwan bleibt es bei unter zehn Publikationen, alle beziehen sich auf die entsprechenden Verfilmungen. Der kurzer Artikel Chinese Covers in PKD Otaku 37 sei hier auch erwähnt, er gibt ein kleinen Einblick in die Publikationsgeschichte in der Volksrepublik China.
Die aktuellen Ausgaben werden von verschiedenen Anbietern angeboten, sie verlangen aber entweder astronomische Summen für den Versand oder die Anbieter, wie verschiedene Seiten in Fernost, sind ohne Kenntnisse der lokalen Sprachen schwer zugänglich. Amazon.cn erschien mir als zuverlässige Adresse, der Bestellvorgang ist vertraut und die Versandkosten um zwölf Euro pro Buch doch akzeptabel; der Preis für das Buch ist letztlich vernachlässigbar. Und eigentlich reicht auch ein Buch pro Sprache, aber wenn man schon einmal dabei ist, sollten es doch zwei sein  vielleicht findet sich ein weiterer Interessent für ein solche seltenes Stück – und deshalb ist noch die Kurzgeschichtensammlung The Minority Report dabei.
Der Roman Gather Yourselves Together von Philip K. Dick
Gather Yourselves Together, WCS Books (1991),
(derzeit?) noch nicht ins Deutsche übersetzt
Bestellung und Lieferung klappten dann auch wie erwartet einfach.
Dick selbst zeigt ein gewisses Interesse für China in seinem Roman Gather Yourselves Together, geschrieben und überarbeitet irgendwann zwischen 1948 und 1953. Offenbar war dies sein erster Roman, aber sicher ist das nicht, Voices from the Street ist ein anderer Kandidat dafür, man kann das bei den PhilipKDickFans nachlesen.
Veröffentlicht wurde Gather Yourselves Together erst 1994 bei WCS Books, auf Deutsch gibt es ihn, wie Humpty Dumpty in Oakland, noch nicht. Beide gibt es aber als günstig verfügbare Neuausgaben von Gollancz, aber auch die WCS-Ausgabe ist nicht wirklich selten, aber unbedingt sammelbar. Es geht um eine Frau zwischen zwei Männern vor dem Hintergrund des Chinesischen Bürgerkrieges. China und das politische Umfeld dienen zwar als Hintergrund, werden aber nicht wirklich tief ausgeleuchtet. In jedem Fall eher ein Buch für den Interessierten, der sonst schon alles gelesen hat. Man sollte aber nicht auf die deutsche Ausgabe warten. Tatsächlich ist der Roman nur in wenige Sprachen übersetzt, zuerst ins Italienische, Il Paradiso Maoista, (erst) 2007 bei Fanucci erschienen, später erst ins Französische (2012) und in einem Sammelband ins Russische (2014).
In welchen Sprachen es Ausgaben von Dick sonst noch gibt, findet sich hier.